Denkmalschutz

Die Anlage 4323 in Kehl-Neumühl

Mit großer Bestürzung haben die Mitarbeiter der Arbeitsgemeinschaft Westwalltag die Mitteilung erhalten, daß die Untere Denkmalschutzbehörde der Stadt Kehl trotz einer Stellungnahme des Referates 25 des Regierungs-präsidiums Freiburg als Fachbehörde, die sich ausdrücklich für den Erhalt des Bauwerkes aussprach, den Abbruch der Anlage 4323 in Kehl-Neumühl genehmigt hat. Da das Referat 25 seine Bedenken gegen den Abbruch aufrecht hält, liegt die Genehmigung nun zur Entscheidung bei der höheren Denkmalschutzbehörde des Regierungspräsidiums Freiburg (Referat 21). Um die Entscheidung des Regierungspräsidiums Freiburg positiv für den Erhalt des Bauwerkes zu beeinflußen, wurde in enger Zusammenarbeit mit dem „Historischen Verein für Mittelbaden e.V.“ eine ausführliche Stellungnahme erarbeitet, die wir nachfolgend in Teilen wiedergeben:

Bei dem flächendeckenden Ausbau der Westbefestigungen ab 1938, dem sogenannten „Limesbauprogramm“, wurde das Dorf Neumühl mit 16 Bunkern zur Rundumverteidigung eingerichtet. Zehn dieser Bunker dienten der Infanterie, sechs Bunker der Artillerie. Diese Unterscheidung kann anhand der überlieferten vierstelligen Bauwerksnummern vorgenommen werden, da der für den Ausbau zuständige Festungspionierstab 18 mit Sitz in Offenburg den Infanterieanlagen als erste Ziffer der Bauwerksnummer eine 4 und den Artillerieanlagen eine 8 vergab. Ein durchgehendes Infanteriehindernis (Stacheldraht) verlief westlich des Dorfes von der Eisenbahnlinie Appenweier - Kehl zur Kinzig, folgte dem Fluß auf dem rechten Ufer Richtung Osten und bog östlich des Dorfes wieder nach Norden ab bis zum „Schiffergraben“, einem Bach der von Osten her auf Neumühl zufließt.

Die Anlage 4323 wurde 1938 am südöstlichen Dorfrand von Neumühl gebaut. Bei ihr handelt es sich um einen Regelbau 10a des Limesbauprogramms, einem Gruppenunterstand mit angehängtem Kampfraum in Baustärke B alt entsprechend 1,50 m starkem Stahlbeton für  Außenwände und Decke. Das Bauwerk konnte 14 Soldaten samt ihrer Ausrüstung Schutz bieten, die zum Kampf allerdings das Bauwerk verlassen mußten. In dem angehängten Kampfraum konnten zwei Maschinengewehre zum Einsatz gebracht werden. Mit diesen beiden Waffen wurde zum einen die Auffahrt zur ehemaligen Kinzigbrücke sowie ein Altarm der Kinzig gesichert, zum anderen die von Kehl - Kork her kommende Straße Appenweier - Kehl.

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Da der Unterstand an ein bestehendes landwirtschaftliches Anwesen anschloß und sich direkt an der Straße befand wurde das Bauwerk als Haus getarnt. Dazu erhielt er eine Verkleidung, die ein Holzfachwerk vortäuschen sollte sowie ein Satteldach. Dieses Satteldach wurde so geräumig ausgeführt, daß während des II. Weltkrieges die Familie eines Ingenieurs der Straßburger Untersee-bootwerft unter dem Dach wohnen konnte. Mit dieser Tarnung konnte die Anlage 4323 kaum noch von der Umgebungsbebauung unterschieden werden. Gegen Kriegsende wurden von der Straßburger Unterseebootwerft Pläne und Unterlagen in dem Bunker eingelagert.

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Im Gegensatz zu zahlreichen Gebäuden im Dorf Neumühl wurden im April 1945 das landwirtschaftliche Anwesen und der Bunker nicht zerstört. Aufgrund der Nähe zu zivilen  Gebäuden wurde die Anlage 4323 nach dem Ende des II. Weltkrieges nicht gesprengt. Vielmehr wurde das Bauwerk verfüllt und die Eingänge mit einer Betonplombe versehen. Leichte Beschädigungen an den Scharten des angehängten Kampfraums weisen darauf hin, daß diese vor der Verfüllung unbrauchbar gemacht wurden. Im Gegensatz zur Anlage 4323 wurden die anderen 15 Westwall-Bauwerke in und bei Neumühl – wie der Großteil der Westbefestigungen – gesprengt und im Rahmen von Ortserweiterungen und Straßenausbauten vollständig beseitigt.

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